Jedipedia:OSWM 88

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Filmmagie in Handarbeit
Die frühen Jahre von Industrial Light & Magic

Effektspezialist Mike Jutan brachte uns in Ausgabe 87 auf den neuesten Stand in Sachen visuelle Effekte, die heute mehr denn je durch die Arbeit am Computer geprägt sind. Was das Team von Industrial Light & Magic über vier Jahrzehnte bis hin zu virtuellen, frei begehbaren Kulissen brachte, begann 1975 noch mit viel Handarbeit in einer sehr realen, leeren Lagerhalle. Wie entstand ILM und wie ging es nach Star Wars weiter? Mit welchen Mitteln wurde damals gearbeitet? Wir nehmen euch mit …

Klassische Spezialeffekte und aus der analogen Zeit stammende visuelle Effekte begeistern bis heute bei großen Titeln wie Mad Max: Fury Road (2015) oder Blade Runner 2049 (2017) ein Millionenpublikum. Regisseure können sich bewusst für „gutes altes“ Handwerk entscheiden, wenn es ihrer Vision und dem Charakter des Films entspricht. Denn trotz allen Fortschritts sind computergestützte Effekte einfach nicht das Gleiche. 1975 stand all das ohnehin nicht zur Debatte, denn weder digitaler Film noch Computer standen zur Verfügung – zumindest nicht in brauchbarer Form. Um zusätzliche Bildinhalte zu integrieren, musste der analoge Film auf Kosten der Qualität umkopiert oder erneut belichtet werden, was weder beliebig oft geschehen konnte noch auf Knopfdruck rückgängig zu machen war. Das Ergänzen von Hintergründen geschah durch starre Vorrichtungen aus Kameras und Projektoren, die genau eine Perspektive und keine Bewegungen zuließen. Die Anforderungen an die optische und mechanische Präzision waren allgemein enorm hoch und erforderten teure, manchmal sogar einzigartige Spezialgeräte. Auch Effekte wie Zerstörung, Rauch oder Feuer waren nur am Modell oder dem echten Objekt möglich – und deshalb vielleicht auch nur ein einziges Mal.

Von der heutigen digitalen Freiheit war man also weit entfernt. Man hatte keine Wahl, außer, es gründlich zu machen. All das zudem nach einer Zeit des Umbruchs in der Filmindustrie, die sämtliche großen Studios zur Abschaffung ihrer hauseigenen Effektteams brachte, so auch bei 20th Century Fox, George Lucas’ erster Anlaufstelle auf der Suche nach der richtigen Mannschaft. Schon 1968 hatte 2001: Odyssee im Weltraum gezeigt, was möglich war. Da der damals verantwortliche Douglas Trumbull bereits bei Steven Spielberg unter Vertrag war, wurde das Team stattdessen um seinen ehemaligen Assistenten John Dykstra gebildet. Die meisten der etwa 70 Künstler und Techniker hatten keine Gelegenheit mehr gehabt, in den etablierten Effektabteilungen der großen Studios zu lernen, falls sie überhaupt größere Filmerfahrung besaßen. Sogar Studenten waren darunter, der Altersschnitt war entsprechend niedrig und auch das Arbeitsumfeld sehr ungewöhnlich: Kein Dresscode? Arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit? Modellbauer, die selbst hinter der Kamera stehen? Kostümpartys im Büro? Die Manager von 20th Century Fox waren mehr als skeptisch.

Es stellte sich jedoch bald heraus, dass sie in der scheinbar zusammengewürfelten Crew enorm talentierte und motivierte Menschen gefunden hatten, die sich in einer zunächst noch leeren Lagerhalle in Van Nuys unweit von Hollywood einrichteten. Was drinnen keinen Platz fand oder dort aus anderen Gründen nicht machbar war, wurde einfach auf dem Parkplatz umgesetzt – auf Holzgerüsten und nicht selten mit einem Pick-up als Kamerawagen. Viele technische Voraussetzungen mussten überhaupt erst geschaffen und Grenzen des Möglichen ausgelotet werden. So entwickelte Dykstra mit einigen Kollegen eine nach ihm benannte Motion-Control-Kamera für anspruchsvolle, dynamische Modellaufnahmen mehrerer Objekte nacheinander. Auch andere Mittel wie optische Printer, Zeichentische oder Hochgeschwindigkeitskameras wurden häufig aus Restbeständen aufgekauft oder selbst gebaut. Technikbegeisterte Mitglieder wie Kameramann Richard Edlund und innovative Perfektionisten wie Dennis Muren und Phil Tippet erwiesen sich dabei als unbezahlbar. Die wenigsten von ihnen beschränkten sich auf eine einzige Aufgabe – und dienten später oft selbst als Visual Effects Supervisor und in anderen Schlüsselrollen bei vielen weiteren Aufträgen. Essenzielle Grundlage für die Gestaltung der vom Team zum Leben erweckten Szenen war Konzeptkünstler und Designer Ralph McQuarrie, der bereits vor allen anderen mit Lucas zusammengearbeitet hatte. Auch wenn er sich ihnen nicht wirklich zugehörig fühlte, empfand man ihn als de facto erstes Mitglied von ILM und schätzte ihn dort sehr.

Die Crew gab in den kommenden Monaten alles: Lampen und Glasfasern irgendwie im Sternenzerstörer unterbringen, ohne dass er unter den Scheinwerfern schmilzt. Faustgroße Kreaturen vom kahlen Skelett auf modellieren, bemalen und dann so inszenieren, als seien sie riesige Geschöpfe. Tagelang Modelle und Puppen millimeterweise bewegen, abtauchen, Verschluss auslösen, auftauchen, bewegen, abtauchen, auslösen … 24 Mal das Ganze für eine einzige Sekunde Film. Noch mal die Beleuchtung versetzen lassen, damit Lukes Ohr schön dranbleibt, wenn der Bluescreenhintergrund herausgefiltert wird. Mit Matte Paintings auf Glasplatten jeden Realisten wie einen Anfänger aussehen lassen, damit die einprojizierte Aufnahme die richtige Wirkung hat. Am Rotoskop Bild für Bild für Bild das Glühen von Lichtschwertern oder Schattenwürfe einzeichnen, als wären sie am Set schon da gewesen. So lange am optischen Printer Dutzende von Filmen, Masken und Filtern aufeinander abstimmen und belichten, bis ein einziges perfektes Bild entsteht. Und wenn was nicht passt? Neu machen – nicht selten ganz von vorne.

Die Belastung für das noch kleine, junge Team war spürbar. Alles musste auf Hochtouren laufen, keiner zählte die Überstunden. Entsprechend sind die Anekdoten. So neigte einer der Modellbauer dazu „so alle zwei Tage mal“ schreiend leere Kartons mit einer Holzlatte zu verdreschen. Führungskräfte wie dessen Chef Lorne Peterson nahmen dadurch eine umso wichtigere Rolle ein. In weniger als anderthalb Jahren fast pausenloser Arbeit wurden so schließlich die Effekte für Eine neue Hoffnung fertiggestellt. Danach folgte schlagartig Ruhe, die Halle blieb verlassen. Es gab keine weiteren Projekte, noch konnte niemand den enormen Erfolg des Films vorhersehen. So gingen die Mitarbeiter ihrer Wege, oft in einen längeren Urlaub. Star Wars wurde jedoch unterdessen zum Welterfolg, sodass viele aus dem Team 1978 für Das Imperium schlägt zurück zurückkehrten und in den neuen Standort in San Rafael zogen, nun unter der Leitung von Thomas Smith. Der unerwartete Erfolg aus dem Nichts machte ILM nicht nur bekannt, er generierte gleichzeitig neuen Bedarf an genau ihren Fähigkeiten. Ein wahrer Science-Fiction-Boom hatte eingesetzt.

Allein in seinen ersten zehn Jahren betreute ILM neben dem Rest der klassischen Trilogie weltbekannte Filme wie Jäger des verlorenen Schatzes (1981), Star Trek: Der Film (1979), Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982), E.T. (1982) sowie Zurück in die Zukunft (1985) und gewann fast wie selbstverständlich Oscars für deren Effekte. Bezeichnend für ILM innerhalb der Branche blieb weiterhin, dass die diversen Techniken wie schon bei Star Wars nicht nur meisterlich eingesetzt, sondern häufig selbst entwickelt oder maßgeblich vorangetrieben wurden. So revolutionierte 1980 beispielsweise die Erfindung der Bewegungsunschärfe erzeugenden Go-Motion die klassische Stop-Motion-Animation. Im Laufe der Zeit wurden dafür sowohl die Firma als auch einzelne Mitarbeiter regelmäßig mit weiteren Auszeichnungen wie den Technical Achievement Awards der Academy of Motion Picture Arts and Sciences geehrt. Einige Mitarbeiter, darunter Dykstra und Edlund, gründeten zudem ihre eigenen Firmen. Nur sieben aus der ursprünglichen Crew waren geblieben, während die Belegschaft weiter wuchs, um den neuen Ansprüchen immer aufwendiger und teurer werdender Filme gerecht zu werden.

Auch wenn die Mittel noch sehr begrenzt und die Bedienung furchtbar umständlich war, begann ILM auch früh mit der Arbeit an Computeranimation, die neue Möglichkeiten versprach. Sogar Experten waren verblüfft, als 1985 in Das Geheimnis des verborgenen Tempels ein Ritter einem Buntglasfenster entstieg, um einen realen Darsteller anzugreifen – in buchstäblich glasklarer Qualität. Die Figur war per Laser direkt in den Film einbelichtet worden! So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen. Auch wenn die alte Schule längst nicht ausgedient hatte, so war dies langfristig doch wegweisend für die Branche und für die Zukunft von Industrial Light & Magic. Doch dazu mehr in der kommenden Ausgabe des Offiziellen Magazins, wenn wir uns ins digitale Zeitalter begeben und die nächsten Jahrzehnte bei ILM verfolgen …


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Beitrag erstmals erschienen im Offiziellen Star Wars Magazin Nr. 88. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Offiziellen Star Wars Magazins. © & TM 2018 Lucasfilm Ltd. All rights reserved. Used under authorization.