Solo/Review1

Aus Jedipedia


Solo wäre nur halb so toll, wenn man solo in den Film ginge! So oder so ähnlich war unser Motto, als wir am Mittwochnachmittag das Pressescreening zur jüngsten Ausprägung unserer geliebten, weit, weit entfernten Galaxis besuchen durften. Viel war ja bereits im Vorfeld über Ron Howards neuen Streifen zu lesen - insbesondere, und das ist für Star-Wars-Filme untypisch, viel Negatives. Kolportiert wurde, Howard hätte 70% des Films in Nachdrehs neu einspielen müssen, Alden Ehrenreich sei ein minderbemitt… äh, minder begabter Schauspieler (was man schon in Hail, Caesar! bewundern durfte, wäre es doch bloß so einfach…). Zuletzt wurde kolportiert, Howard habe aus übertriebenem Fanservice krude „Fantheorien“ von einer Fanseite namens Wookapedia (Zitat Musikexpress) abgeschrieben: So etwa sei nun nach vierzigjähriger Wartezeit klar, dass Han Solo von Corellia stamme (wie schon aus dem Filmroman zu Eine neue Hoffnung auf Seite 121 hervorgeht)! „Fans und irgendwelche Drittautoren“ werden als Quellen für weite Teile der Handlung genannt. Auch sei es – schenkt man Spiegel Online Glauben – zutiefst „fantasieraubend“, jedes Detail aus Han Solos bewegter Vergangenheit auszuerzählen. Aber ist das wirklich alles, was uns Disney/Lucasfilm in dieser neuesten Iteration des Star-Wars-Universums bietet, ist Solo wirklich nur ein Arrangement von Bruchstücken der Star-Wars-Marke, das zu einem Patchwork von einem Spielfilm zusammengeflickt wurde (AV Film)? Man wird sehen…

Hauptsache weg aus diesem Loch.

Vorausgeschickt: Ganz so schlecht war Solo dann doch nicht, Man könnte ihn sogar den Star-Wars-igsten Film seit der Übernahme durch den Mäusekonzern nennen.

Solo beginnt in einer Atmosphäre, auf die ein Charles Dickens stolz gewesen wäre, nämlich in den Slums von Han Solos Heimatwelt Corellia. Das Imperium herrscht mit eiserner Faust und kümmert sich wenig bis gar nicht um den Rand der Gesellschaft. Der junge Han und seine Freundin Qi’ra (unmöglicher Name, wenn man im dunklen Kino mitschreiben möchte…) leben vom Brosamen, der vom Tisch der Gesellschaft abfällt und vegetieren in steter Angst vor den lokalen Verbrecherbanden. Er nutzt seine Chance, wird ein aufstrebender Gangsterrapper und gibt uns genau den Musikfilm, den wir uns schon immer von Disney gewünscht haben. Natürlich nicht. Wir stellen allerdings bereits zu Beginn fest: Solo ist ein sehr dreckiger Film, nicht immer im übertragenen Sinne, aber im gesamten Streifen triefen die Akteure nur so vor Schlamm (oder rutschen im Falle von Dryden Vos auf ihrer eigenen Schleimspur aus). Zugleich bleibt aber auch die aus den Prequels bekannte Hochtechnologie nicht auf der Strecke, sodass den Kinogänger ein atmosphärisch gelungener Mix aus der eleganten Galaxis der Prequels und dem abgenutzten Flair der klassischen Trilogie erwartet. Dazu ist man als Zuschauer viel eher mittendrin als nur dabei - ob Lautsprecherdurchsagen am Raumhafen, imperiale Propaganda oder französische Chansons singende Aliens, Detailfetischisten im Kinosessel wird quasi alles geboten. Ohnedies ist der inzwischen anscheinend obligatorisch gewordene Fanservice in Solo recht gelungen - diverse Anspielungen auf die Prequels, wie auch auf in Bezug auf die klassische Trilogie, bekannte Schiffe wie Gozanti-Kreuzer und CR90-Korvetten und eine ganze Ladung bekannter Spezies (allerdings auch einige völlig neue) sorgen dafür, dass sich Solo wie bisher keiner der neueren Filme in das gewohnte Bild unserer Lieblingsgalaxis einfügt.

Auf der anderen Seite – und da müssen wir den Kollegen von Musikexpress so leid es uns auch tut Recht geben – handelt es sich bei dem gesamten Konstrukt Solo um einen einzigen Fanservice. Die gesamte Handlung des Films, so man den spielend in einem Satz erzählbaren Plot des Films überhaupt als solche bezeichnen kann, gruppiert sich um eine Reihe wichtiger Ereignisse in Hans Leben, die Einfluss auf seine spätere Performance in der klassischen Trilogie haben werden. Und wenn gerade kein solches Ereignis bereit steht, so helfen - wie leider auch auffällig häufig in den neueren Iterationen des Star-Wars-Epos – ein gutes, altes Plot Device, um die Längen zu überbrücken. Man sollte sich fragen, ob Lawrence Kasdan wirklich noch der Richtige für diesen Job ist.

Nunja, zumindest der Zug nimmt ordentlich Fahrt auf!

Richtig Fahrt kommt leider nur auf, als Han fachgerecht einen Speeder kurzschließt und mit ihm davonfährt. Hier kommt natürlich die Solo-typische Vertikalstellung eines Fahrzeuges, die er in seiner weiteren Karriere noch zu großem Ruhm bringen wird. So viel sei dazu nur gesagt, Han ist hier noch jung und hat daher noch einiges zu lernen. Was uns leider zu einem für Rezensenten schweren Punkt bringt: Der Film ist absolut nicht zitierbar. Vermutlich wurden alle Oneliner und markanten Sprüche zu Die letzten Jedi exportiert, sodass für Solo leider keine mehr übrig blieben. Die Kritik „zu witzig“ muss sich der Film jedenfalls nicht gefallen lassen. Auch eine emotionale Bindung schaffen die wenigstens Charaktere mit dem Publikum herzustellen. Die einzige wirklich mitreißende Szene kommt nicht durch den Tod eines Protagonisten, sondern durch die natürlich sexuelle Spannung, die Lando zu jedem weiblichen Wesen aufzubauen scheint.

Überhaupt kann Donald Glover in seiner Rolle als Lando Calrissian überzeugen, das überhebliche Grinsen, ein Cape für jede Gelegenheit, das gepflegteste Auftreten und der Charmeur gegenüber den Vertretern des anderen Geschlechts und sogar gegenüber läufigen Droidinnen – er hat eben all das, was einen guten Lando ausmacht.

Nebenbei: Uns wurde nach dem durchaus gelungenen Ausflug in das Kriegsfilm-Genre eigentlich ein Heist-Movie alter Schule versprochen, doch, und mit diesem Anspruch muss sich Solo leider messen lassen, unter dieser Prämisse war in dem Film dann doch relativ wenig „Heist“ geboten. Wer hier einen weiteren Teil der Ocean’s-Reihe im Star-Wars-Gewand vermutet, wird wohl eine heftige Enttäuschung erleben. Planvoll war gestern, Heist nach Star-Wars-Art geht eher nach dem Motto „wir gehen rein, ballern alles weg, jagen es dann in die Luft und gehen wieder“ (zugegeben, das Ballern sieht schon ziemlich genial aus).

Auch der von Fans erwarteten Sabacc-Anteil im Casino-Royale-Style, bei dem die Protagonisten um den Besitz des Falken streiten, kann nicht wirklich überzeugen. Der Zuschauer bekommt keine Gelegenheit auch nur zu erahnen, wie das Spiel funktioniert. Es scheint Poker-ähnlich zu sein, aber als eine Hand gespielt wird und der ganze Raum große Augen macht, scheint das ein Royal Flush zu sein, entpuppt sich dann aber irgendwie nur als ein Vierer-Pärchen-Äquivalent – und keine einzige Narrenhand!

Stramme Konkurrenz: Woody Harrelson alias Beckett

Doch nun zum häufig genannten Hauptkritikpunkt: Ist Alden Ehrenreich der schlechteste Han Solo aller Zeiten? Nun, vielleicht, immerhin gibt es nur einen übermächtigen Konkurrenten, und der heißt nun einmal leider Harrison Ford. Wir konstatieren allerdings: Alden Ehrenreich macht seine Sache im Ergebnis sehr gut. Man merkt, dass ihm die Rolle Spaß bereitet, sodass er zumindest recht engagiert wirkt. Leider, und das ist der größte Kritikpunkt, den sich der Film gefallen lassen muss, wirkt Alden Ehrenreich zu keinem Zeitpunkt wie der Han Solo, den wir kennen, sondern vielmehr wie ein völlig neuer Schurke mit dem Herzen am rechten Fleck. Vielleicht ist das der Grund, warum der Film das Gesicht unseres Lieblingshalunken so häufig versteckt, Immerhin, das Han-spezifische Grinsen hat Ehrenreich schon bestens drauf, für den Rest fehlt es ihm leider (noch) an Harrison Fords unnachahmlicher Bühnenpräsenz. Bei aller Kritik stellten wir allerdings auch fest, dass Ehrenreich, sobald man sich einmal an sein Gesicht gewöhnt hat, zumindest ein würdiger Nachfolger ist – eine gewisse Einarbeitungszeit sollte man ihm schon zugestehen. Manchmal hat man allerdings ein wenig Mitleid mit ihm, denn Woody Harrelson hält sich im Allgemeinen schon sehr deutlich zurück, um Ehrenreich nicht die Show zu stehlen – so viel geballte Erfahrung kann einen jungen Darsteller schon mal einschüchtern. Betreffend Emilia Clarke: Beim gemeinsamen Umtrunk nach dem Film waren wir uns noch immer nicht sicher, ob die Game-of-Thrones-Darstellerin während der vollen zwei Stunden je einen zweiten Gesichtsausdruck aufgesetzt hat.

Wenn wir uns das Ganze hier nochmal durchlesen, klingt das allgemein etwas negativ. Man muss deshalb nochmal die Kurve nehmen und explizit sagen, dass uns der Film trotz aller Kritikpunkte Spaß gemacht hat. Es kommt ein richtiges Star Wars-Gefühl auf, wie schon in Die letzten Jedi traut sich Disney etwas offener mit Sexualität umzugehen, sodass wir in diesem Film sogar eine sexy Duschszene zu sehen bekommen…



Fazit: Wo Solo dransteht, da ist auch Solo drin. Der neueste Star-Wars-Film ist zwar nicht besonders spannend und auch nicht besonders ausgefeilt, aber unterhaltsam ist er allemal. Licht und Schatten wechseln sich stetig ab. Insgesamt ist Ron Howard hier trotz (und unter Maßgabe) aller Widrigkeiten ein relativ rundes Ergebnis gelungen. Solo setzt in fast keiner Hinsicht neue Maßstäbe und ist auch ansonsten kein herausragender Film, aber wer Freude ans Star Wars hat – und das dürften zweifelsohne alle Leser dieses Textes haben –, der sollte sich den Film keinesfalls entgehen lassen. Wir hatten größtes Vergnügen und würden uns – zumindest rein atmosphärisch – mehr Filme dieser Machart wünschen. Wir danken Disney Deutschland für die Möglichkeit, den Film bereits vorab zu sehen.

Insgesamt haben wir uns trotz der erheblichen Schwächen des Films nach langem Kampf mit harten Bandagen zu einer Bewertung von 7 von 10 Punkten durchgerungen.


–– Stephan und Max alias Pandora und Skippi